Die Finanzmärkte sind im Schockzustand: Weder Banken noch Investoren sind momentan bereit, irgendwelche Risiken einzugehen. Und falls doch, dann zu Preisen, die kaum bezahlbar sind. Der Kreditengpass hat sich zu einer Kapitalklemme ausgeweitet. Zwar stehen genug andere Geldgeber bereit – diese picken sich aber bisher nur die Rosinen heraus. Für den Rest könnte es in den nächsten Monaten eng werden, wenn die erste große Welle an Refinanzierungen bzw. Prolongationen losbricht.
Das Problem der Investoren sind die gesunkenen Immobilienwerte. Nach Berechnungen von Atisreal gingen die Preise für Gewerbeimmobilien im vergangenen Jahr um 10 % bis 20 % zurück. Für 2009 rechnet Stefan Widmann, Geschäftsführer Atisreal Valuation & Consult, mit einem weiteren Korrekturbedarf von bis zu 9 %. Sinken die Marktwerte, verschlechtert sich automatisch das Verhältnis zwischen Kreditbetrag und Immobilienwert, was je nach Vertragsgestaltung zwischen Gläubiger und Kreditnehmer zu einem Bruch der Kreditvereinbarung führen kann. Ein Alarmzeichen, das die Banken zum Handeln zwingt, um einen drohenden Kreditausfall zu verhindern.
Viele Banken fordern von ihren Kunden den Nachschuss von Eigenkapital oder Ersatzsicherheiten. Kann dies der Schuldner nicht liefern, wird es brenzlig: Notverkäufe sind das letzte Mittel und in einem rückläufigen Markt die schlechteste Lösung. Das weiß auch Hieronymus Hager, Geschäftsführer von Jones Lang LaSalle Asset Management. Deshalb glaubt er auch nicht an eine Welle von Notverkäufen. „Das werden die Banken verhindern“, sagte Hager auf einem Heuer Dialog in Mainz.
Die gleiche Ansicht vertritt Rechtsanwalt Armin Hutner, Partner der Kanzlei Taylor Wessing. Zwar haben die Banken ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn der Kreditnehmer die Sicherheiten nicht „auffrischen“ kann. „Die Banken wollen den Schlüssel aber nicht in die Hand nehmen“, weiß Hutner. Dazu fehlt vielen Häusern laut Hager nämlich das Know-how und die Manpower. Deshalb werde in den kommenden Monaten verstärkt das Augenmerk auf das Asset-Management gelegt.
Die meisten Immobilienfinanzierer stecken in einem Dilemma: Obwohl Kreditvereinbarungen „gebrochen“ werden, schrecken die Institute vor Vertragskündigungen meistens zurück. Weil sich nahezu alle Banken auf ihre Bestandskunden konzentrieren, sind Umschuldungen nahezu gänzlich ausgeschlossen. Deshalb macht sogar schon das Wörtchen Zwangsprolongation – die alternativlose Verlängerung der Zinsbindung zu neuen Konditionen – die Runde. „Es wird Zwangsprolongationen geben“, sagt Claus-Jürgen Cohausz, Vorstandsmitglied der Westdeutschen Immobilienbank (WIB), „das ist aber auch wichtig, um die Märkte zu stabilisieren.“
Doch die Investmentmärkte trocknen aus. Denn wie bereits geschehen, werden fast ausschließlich Bestandsimmobilien und immer seltener Akquisitionen finanziert. Atisreal-Berater Widmann: „Im Schlussquartal 2008 gab es in Frankfurt gerade mal drei Transaktionen oberhalb 1 Mio. Euro. In diesem Jahr sieht es bisher nicht viel besser aus.“
Schlechte Zeiten für Entwickler
Noch düsterer sieht es für Projektentwicklungen aus. Banken verlangen Cohausz zufolge mittlerweile Vorvermietungsquoten jenseits der 50 % sowie einen Endinvestor, bevor sie sich an der Finanzierung beteiligen. Die Eigenkapitalanforderungen lägen selbst bei Vollvermietungen bei mindestens 25 % bis 30 %. „Bei Projektentwicklungen stellt sich die Frage, ob das jetzt der richtige Zeitpunkt ist“, bemerkt Cohausz skeptisch. Sein Haus würde derzeit maximal 10 Mio. Euro für „gute“ Projekte bereitstellen.
Die WestLB-Tochter WIB zählt sich zu den Immobilienbanken, die im Neugeschäft noch unterwegs sind. Davon gibt es laut Cohausz gerade mal eine handvoll: „Im großvolumigen Bereich sind überregional derzeit zwischen fünf und acht Institute aktiv.“ Das seien die klassischen Finanzierer, die den Hype nicht mitgemacht haben. 2008 reichte die WIB rund 6 Mrd. Euro neuer Immobilienkredite aus, ein im Vergleich zu Mitbewerbern moderater Rückgang um ein Drittel. Für dieses Jahr seien keine Geschäftsbeschränkungen geplant. Jedoch würden die konjunkturellen Risiken bei der Kreditentscheidung stärker berücksichtigt und die gestiegenen Refinanzierungskosten weitergegeben. Im Klartext: Der Bankkunde muss mehr Eigenkapital mitbringen.
Damit liegt die WIB voll im Trend. Für den Kreditnehmer heißt das generell, dass er sich alternative Kapitalgeber suchen muss, um die Finanzierungslücke zu schließen. Denn Banken, die wie in früheren Jahren parallel als Mezzanine-Investor auftreten, finden sich nicht mehr.
Mezzanine-Fonds wie von Catella Real Estate registrieren daher eine rege Nachfrage. Rund 100 Mio. Euro Eigenkapital hat der Opportunity-Fonds im vergangenen Jahr eingesammelt. Mit Fremdkapital gehebelt will Torsten Hollstein, Geschäftsführer von Catella Property, insgesamt 200 Mio. Euro in europäische Projektentwicklungen stecken. „Die Nachfrage ist immens. Bei dieser Auswahl finde ich immer auch ein Projekt, das unseren Investoren eine Rendite von 20 % + x einbringt“, so Hollstein.
Für viele Entwickler und Immobilienunternehmen ist das jedoch zu teuer. Zwischen Angebot und Nachfrage herrscht ein Ungleichgewicht – der Markt steht zum Teil still. „Die Kapitalmärkte sind ausgetrocknet, sowohl auf der Eigenkapital- als auch auf der Fremdkapitalseite“, stellt Hager fest.
Auch der Finanzierungsberater und -vermittler Flatow Advisory Partners stellt fest, dass viele Mezzanine- und Eigenkapitalgeber noch abwarten. Trotzdem ist nach Einschätzung von Geschäftsführer Curth-C. Flatow die Strukturierung von Finanzierungen zu erschwinglichen Preisen möglich. Zwei Dinge sind entscheidend: Eine gute Beziehung zur Hausbank und ausreichend Zeit, um die entsprechenden sonstigen Kapitalgeber zu finden. „Man braucht mindestens drei Monate, um eine Refinanzierung vernünftig zu strukturieren“, spricht Flatow aus Erfahrung. (nik)